Wearables gehören inzwischen zum Alltag. Viele Menschen tragen heute selbstverständlich eine Smartwatch, zählen ihre Schritte, schauen auf ihre Schlafqualität oder lassen sich im Alltag an Pausen erinnern. Und ich gestehe gern: Ich selbst habe auch eine Apple Watch, und ich finde diese Technik auf ihre Art absolut faszinierend. Sie kann Dinge, die vor wenigen Jahren noch reine Zukunftsmusik gewesen wären.
Aber gleichzeitig merke ich immer wieder, dass ich – in gewisser Weise ganz traditionell – eine gewisse Vorsicht habe. Bluetooth-Kopfhörer habe ich zum Beispiel noch nie benutzt. Ich greife, wenn überhaupt, zu den klassischen Kabelvarianten. Nicht aus Nostalgie, sondern weil ich keine Funkstrahlung direkt am Ohr haben möchte.
Und gerade jetzt, nach den neuesten Berichten und Aussagen von Fachleuten, fällt mir wieder auf, dass diese Zurückhaltung gar nicht so falsch ist. Denn viele moderne Kopfhörer und Wearables enthalten heute Sensoren, die weit mehr messen können, als man auf den ersten Blick ahnt. Nicht jeder Kopfhörer hat das – aber die Richtung ist eindeutig: immer mehr Technik wandert unauffällig in kleine Geräte, die wir dicht am Körper tragen.
Der erste Teil soll ganz einfach erklären, was Wearables heute können, warum sie für viele Menschen nützlich sind – und weshalb man trotzdem genauer hinsehen sollte, bevor man sich blind darauf verlässt.
Was moderne Wearables heute alles können
Wenn man es ganz schlicht ausdrückt: Wearables sind kleine Computer, die man am Körper trägt. Die bekannteste Form ist die Smartwatch – ob von Apple, Samsung oder Garmin. Daneben gibt es Fitnessarmbänder, Brustgurte, Ringe wie den Oura-Ring und natürlich auch In-Ear-Kopfhörer, die längst mehr machen als nur Musik abspielen. Die Grundfunktionen kennen die meisten:
- Schritte zählen
- Kalorien schätzen
- Bewegung messen
- Herzfrequenz aufzeichnen
- Schlaf überwachen
- Trainings analysieren
Es sind praktische Helfer, die ohne Aufwand Daten sammeln und daraus nützliche Informationen machen. Für viele Menschen ist das motivierend – man sieht auf einen Blick, ob man sich genug bewegt hat, wie man geschlafen hat oder ob man mehr Pausen bräuchte.
Warum die Geräte so beliebt geworden sind
Der Erfolg dieser kleinen Dinger hat mehrere Gründe. Erstens: Sie machen vieles sichtbar, was man früher nur gefühlt hat. Zweitens: Sie sind bequem. Man muss nichts aufschreiben, nichts messen, nichts planen – die Uhr übernimmt das nebenbei. Drittens: Sie geben einem das Gefühl, sein Leben im Griff zu haben. Bewegung, Schlaf, Herzschlag – alles lässt sich plötzlich nachvollziehen.
Und nicht zuletzt wirken sie modern. Die Hersteller tun natürlich alles, um diesen Eindruck zu verstärken: neue Farben, neue Bänder, neue Funktionen. Das Prinzip ist immer das gleiche:
„Trage uns – und du bist Teil des Fortschritts.“
Die berechtigten Vorteile von Wearables
Trotz aller Vorsicht sollte man fair bleiben. Viele Wearables haben echte Vorteile:
- Sie können auffällige Herzrhythmen erkennen.
- Sie warnen bei ungewöhnlichen Belastungen.
- Sie motivieren zum Spazierengehen oder Sport.
- Sie erinnern an Pausen, wenn man zu lange sitzt.
- Sie erfassen Schlafphasen, sodass man eigene Muster besser versteht.
- Im Notfall können sie sogar automatisch Hilfe rufen.
Es wäre also falsch, so zu tun, als sei die Technik grundsätzlich schlecht. Früher musste man für solche Messungen ins Schlaflabor oder zum Kardiologen gehen. Heute hat man diese Technik – zumindest in vereinfachter Form – direkt am Handgelenk.
Gerade deshalb ist es wichtig, mit einem klaren Kopf an das Thema heranzugehen. Technik kann nützlich sein. Sie kann das Leben erleichtern. Aber man sollte immer wissen, welchen Preis man dafür bezahlt – und das ist nicht immer nur Geld.
Welche Daten werden von Wearables gemessen?
Im ersten Teil ging es um die sichtbaren Vorteile und die Faszination dieser kleinen Geräte. Doch das ist nur die Oberfläche. Jetzt kommen wir zu dem Teil, den kaum jemand wirklich versteht: Was Wearables im Hintergrund alles messen. Die meisten Nutzer glauben, ihre Uhr zähle nur Schritte und zeige den Puls an. Doch moderne Sensoren greifen viel tiefer. Sie erfassen Signale, die man früher nur in medizinischen oder psychophysiologischen Labors gemessen hätte. Und aus diesen Signalen lassen sich Rückschlüsse ziehen, die weit über „Ich bin heute viel gelaufen“ hinausgehen.
Hier wird es spannend – und manchmal auch ein bisschen unheimlich. Denn viele dieser Messungen laufen völlig automatisch und für den Nutzer unsichtbar ab.
Die sichtbaren Daten: Das, was jeder kennt
Bevor wir zu den versteckten Sensoren kommen, starten wir mit dem, was jeder sieht. Denn diese offensichtlichen Daten sind ja die Verkaufsargumente.
- Schritte und Bewegung: Das sind einfache Bewegungsdaten. Die Uhr erkennt, wie oft und wie stark sich das Handgelenk bewegt. Daraus werden Schritte, Aktivitätsminuten und Kalorien errechnet.
- Herzfrequenz (Puls): Das ist die zentrale Funktion. Die optischen Sensoren messen über Lichtveränderungen, wie schnell das Blut im Handgelenk pulsiert. Das ist unproblematisch und relativ grob – aber schon hilfreich.
- Schlaftracking: Viele denken, die Uhr „erkennt“ die Schlafphasen direkt – aber das stimmt so nicht. Sie kombiniert Bewegungsmangel, Puls, Atemmuster und einige andere Werte zu einem Schätzwert. Trotzdem liefert das erstaunlich brauchbare Informationen.
- Sauerstoffsättigung (SpO₂): Manchmal recht genau, manchmal eher Spielerei – aber es funktioniert, solange man ruhig liegt.
Alles, was bisher genannt wurde, ist im Grunde harmlos. Diese Werte kennt die Öffentlichkeit, sie werden beworben, und man kann entscheiden, ob man sie messen lassen will. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Die unsichtbaren Biosignale: Das, was kaum jemand bemerkt
Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt. Moderne Wearables – besonders Smartwatches und In-Ear-Kopfhörer – erfassen Biosignale, die weit über das hinausgehen, was der Nutzer bewusst sieht. Das geschieht leise, automatisch und im Hintergrund. Und genau diese Daten sind es, die Rückschlüsse auf Stimmung, Stress, emotionalen Zustand oder sogar Grundcharakter zulassen. Ich gehe die wichtigsten unsichtbaren Messmethoden der Reihe nach durch:
Herzratenvariabilität (HRV)
Diese Zahl sieht man manchmal in Apps, aber viele wissen gar nicht, was sie bedeutet. HRV misst, wie unregelmäßig das Herz schlägt. Ein gesundes Herz schlägt NICHT wie ein Metronom – es schlägt unregelmäßig. Je unregelmäßiger (innerhalb eines gesunden Rahmens), desto entspannter ist der Körper.
- niedrige HRV → Stress, Belastung, Müdigkeit
- hohe HRV → Entspannung, Regeneration, starke Leistungsfähigkeit
Wearables messen HRV ständig, oft ohne dass der Nutzer es bemerkt. Warum ist das brisant? Weil HRV der zuverlässigste Alltags-Indikator ist für:
- Stressniveau
- psychische Anspannung
- Burnout-Risiko
- emotionale Erregung
- Verärgerung
- Nervosität
- körperliche Erschöpfung
Man kann darüber also Emotionen erkennen, ohne dass der Nutzer davon weiß.
Mikro-Veränderungen der Hautleitfähigkeit
Viele moderne Sensoren können über winzige Spannungsänderungen messen, wie „leitfähig“ die Haut gerade ist. Das ist im Grunde die gleiche Messmethode wie beim Lügendetektor.
- Mehr Schweiß → höhere Leitfähigkeit → Stress/Erregung
- Weniger Schweiß → niedrigere Leitfähigkeit → Ruhe
Diese Werte können Kopfhörer, Ohrsensoren, Smartwatches und Fitnessarmbänder erfassen – ganz ohne aktives Zutun.
Ohrendurchblutung und Gewebesignale (bei In-Ear-Kopfhörern)
Das ist der Teil, den viele überhaupt nicht auf dem Schirm haben. Der Gehörgang ist ein idealer Messort:
- sehr gut durchblutet
- stabile Temperatur
- kaum Bewegungsstörungen
Haut ist dünn und gut geeignet für Lichtmessung. Deshalb können manche In-Ear-Wearables bereits:
- Durchblutungsmuster
- Stressreaktionen
- Atemrhythmus
- sympathische Aktivität (Kampf-/Fluchtmodus)
erkennen – und zwar erstaunlich genau. Viele Nutzer haben keine Ahnung, dass solche Sensoren überhaupt existieren.
Atemmuster und Mikrobewegungen
Die Uhr sieht, wie sich der Thorax bewegt – minimal, aber messbar. Daraus lässt sich die Atmung ableiten:
- flache, hektische Atmung → Stress
- tiefe, rhythmische Atmung → Ruhe
- unregelmäßige Atmung → emotionale Reaktionen
In Kombination mit HRV ergibt das ein ziemlich klares Bild des Nervensystems.
EMG-Light: Mini-Muskelaktivität
Auch ohne Elektroden lassen sich kleine Muskelzuckungen und Spannungsmuster erkennen – etwa am Unterarm oder hinter dem Ohr. Damit kann man:
- Anspannung im Kiefer
- unruhige Bewegungen
- Mikrogesten
- feine Stresssignale
registrieren.
Frequenzmuster, die Rückschlüsse auf das autonome Nervensystem erlauben
Blutfluss hat Frequenzen. Atmung hat Frequenzen. Mikrobewegungen haben Frequenzen. Elektrische Mikroreaktionen in der Haut haben Frequenzen. Wenn man diese Muster kombiniert, kann man:
- Erregung / Ruhe erkennen
- Stresslevel bestimmen
- emotionale Grundtendenzen ableiten
- sogar Persönlichkeitstendenzen einordnen
Und das ganz ohne „Gedankenlesen“.
Is Your Smartwatch Spying on You? We Analysed 17 Privacy Policies to Find Out. (Englisch)
Was man wirklich aus diesen Daten ableiten kann
Viele Menschen unterschätzen das völlig. Sie denken: „Der misst doch nur meinen Puls“. Nein. Aus den oben beschriebenen Biosignalen lassen sich komplexe Muster ableiten – Muster, die früher nur Psychologen, Neurowissenschaftler oder Militärforscher auslesen konnten. Im folgenden ein paar der wichtigsten Rückschlüsse:
- Stress und emotionale Lage: Sehr genau, teilweise auf die Minute. Man erkennt: Ärger, Angst, Erschöpfung, Aufregung, Überraschung, Freude oder langsame Erholung. Das geht über HRV + Atmung fast perfekt.
- Tagesmuster und Gewohnheiten: Nach ein paar Wochen kennt die Uhr den Nutzer besser als er sich selbst: Wann du müde wirst, wann du am konzentriertesten bist, wann du emotional instabil bist oder wann du am produktivsten bist.
- Burnout-, Stress- oder Depressionsrisiko: Algorithmen können aus jahrelangen HRV-Kurven unglaubliche Mengen ableiten. Langfristig lassen sich Muster erkennen wie: impulsiv vs. kontrolliert, ruhig vs. leicht erregbar, belastbar vs. empfindlich, stabil vs. wechselhaft und ausgeglichen vs. angespannt. Das passiert völlig automatisch. Der Nutzer merkt davon nichts.
- Psychologische Reaktionen auf Situationen: In Verbindung mit Standortdaten wissen Systeme, was dich stresst, was dich beruhigt, welche Orte dich aufregen, welche Menschen dich nervös machen, wie du auf Nachrichten reagierst oder welche Zeiten für dich emotional heikel sind.
- Potenzielle Vorhersagen: Mit genügend Daten lassen sich beispielsweise folgende Dinge vorhersagen: Wann du Auszeiten brauchst, wann du krank wirst, wie dein Stressprofil morgen aussieht, ob du „im roten Bereich“ bist, ob du zu wenig schläfst, ob du riskante Muster entwickelst. Das ist diagnostisch wertvoll – aber gesellschaftlich gefährlich.
Wearables messen weit mehr als nur Puls und Schritte. Im Hintergrund entstehen psychophysiologische Datensätze, die Rückschlüsse auf Stimmung, Stress, Belastung und sogar Persönlichkeit zulassen. Die meisten Nutzer wissen davon nichts.
Und genau darin liegt später das Risiko – nicht in der Technik selbst, sondern in dem, was irgendwann aus diesen Daten gemacht wird.
Aktuelle Umfrage zur Digitalisierung im Alltag
Wo all diese Daten wirklich landen – und warum das oft anders ist, als viele denken
Wenn man sich mit Wearables beschäftigt, stößt man früher oder später auf eine einfache, aber entscheidende Frage: Wo gehen all diese Daten eigentlich hin? Viele Nutzer vertrauen blind darauf, dass ihr Hersteller „es schon gut machen wird“. Doch dieses Vertrauen basiert oft auf Bauchgefühl – nicht auf Wissen. Und die Unterschiede zwischen den Herstellern sind größer, als es nach außen wirkt.
Die Wahrheit ist: Es gibt keine Wearables ohne Datenverarbeitung. Die Frage ist nur, wo die Daten verarbeitet werden – und wie lange sie dort bleiben.
Apple: viel Lokalspeicherung, viel Verschlüsselung – aber nicht vollkommen unabhängig
Apple hat sich über die Jahre bewusst als „Datenschutzfirma“ positioniert. Und im Vergleich stimmt das auch – sie sind tatsächlich die Zurückhaltendsten unter den großen Herstellern. Die wichtigsten Punkte:
- Die Health-App auf dem iPhone speichert sehr viel lokal.
- Wenn Daten in die iCloud wandern, sind sie in der Regel Ende-zu-Ende verschlüsselt – zumindest laut Apple.
- Viele Daten werden erst verarbeitet, wenn das iPhone entsperrt ist.
- Apple analysiert die Gesundheitsdaten nicht für Werbung.
Das klingt gut – und im Moment ist es das auch. Aber: Es ist nicht garantiert, dass es immer so bleibt. Apple kann seine Regeln ändern. Staaten können Gesetze ändern. Behörden können Zugriff verlangen. Und Apple ist ein börsennotiertes Unternehmen – keine Wohltätigkeitsorganisation.
Der wichtigste Punkt ist aber ein anderer: Auch lokal gespeicherte Daten verändern langfristig ihr Risiko, je mehr davon entstehen. Zwanzig Jahre Gesundheitsdaten auf einem Gerät sind wertvoller – und gefährdeter – als ein paar Wochen.
Google (Android): viel Cloud, viel Auswertung, viel Marketing – wenig Transparenz
Bei Google sieht die Sache völlig anders aus. Google verdient sein Geld nicht mit Geräten, sondern mit Daten. Und das spürt man. Typische Merkmale:
- Wearable-Daten wandern viel häufiger in die Google-Cloud.
- Gesundheitsdaten werden für die Optimierung von Diensten genutzt – was immer ein weites Feld ist.
- Fitbit gehört inzwischen zu Google, und deren Systeme sind noch stärker cloudzentriert.
Google nutzt Gesundheitsdaten zwar offiziell nicht für Werbung – aber das System basiert auf Datenauswertung. Android ist technisch offen, aber das bedeutet nicht automatisch mehr Datenschutz. Im Gegenteil: Je mehr Apps installiert sind, desto mehr Schnittstellen greifen auf Sensoren zu.
Während Apple viele App-Zugriffe restriktiv blockiert, erlaubt Android in der Praxis deutlich mehr – und Nutzer bemerken es kaum. Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, gilt:
- Apple sammelt weniger, weil sie Geräte verkaufen.
- Google sammelt mehr, weil sie Daten verkaufen.
Das muss man einfach wissen, bevor man sich entscheidet.
Samsung, Garmin, Huawei, Xiaomi und andere: Zwischenkomfort und Datensammelnebel
Dann gibt es die große Gruppe der „anderen Hersteller“. Und hier wird es unübersichtlich, denn das Spektrum reicht von vorbildlich bis völlig intransparent.
- Samsung (Wear OS + eigene Cloud): Samsung ist eine Art Hybrid: Sie sitzen auf Android, haben aber eigene Dienste und eigene Cloudsysteme. Viele Daten landen in Samsung-Health-Diensten, in Google-Clouds und in Schnittstellen zu Drittanbietern. Ein typisches Beispiel für moderne Gerätepolitik: Viele Köche rühren im gleichen Datenbrei.
- Garmin (sportorientiert, aber cloudlastig): Garmin funktioniert nur eingeschränkt ohne Cloud. Die „Garmin Connect“-Plattform ist zentraler Bestandteil. Daten werden dauerhaft gespeichert, analysiert und über Jahre archiviert. Garmin ist zwar seriös, aber die Datenhoheit liegt nicht beim Nutzer. Man kann sie nicht komplett offline betreiben.
- Huawei, Xiaomi, Amazfit (die asiatische Ecke): Hier wird es heikel. Nicht aus politischer Panik heraus, sondern weil die Firmen sehr wenig dokumentieren. Gemeinsam habe diese Geräte meist, dass sie sehr günstig sind, extrem viele Sensoren haben und Auswertungen fast ausschließlich in der Cloud speichern. Dazu gibt es wenig Transparenz und die Serverstandorte sind oft unklar. Wer Wert auf Datenschutz legt, greift hier in der Regel nicht hin.
Wearable-Kopfhörer: die unsichtbarste Datenquelle von allen
Viele Menschen denken bei Kopfhörern nicht an Sensoren. Dabei sind gerade In-Ear-Geräte technisch hervorragend geeignet, um Biosignale zu messen:
- Durchblutung
- Mikrobewegungen
- Hautleitfähigkeit
- Atemmuster
- teilweise sogar Hauttemperatur
Nicht alle Hersteller nutzen diese Möglichkeiten – aber technisch machbar ist es längst. Und die Hersteller kommunizieren es ungern, weil „Musikhörer“ eigentlich keine „Biosignaltracker“ erwarten. Wenn man ganz ehrlich ist: Kopfhörer sind heute zum Teil kleine Gesundheitsmessgeräte – getarnt als Lifestyle-Zubehör.
Der eigentliche Unterschied: Welcher Hersteller verdient sein Geld womit? Das ist der Punkt, den man in der ganzen Diskussion niemals vergessen darf:
- Apple verdient sein Geld mit Geräten. Daten sind für Apple ein Bonus – nicht das Kerngeschäft.
- Google verdient sein Geld mit Daten. Wearables sind für Google ein Bonus – nicht das Kerngeschäft.
- Samsung und andere sitzen irgendwo dazwischen. Ein bisschen Hardware, ein bisschen Dienste, ein bisschen Cloud.
- Billighersteller verdienen ihr Geld mit Masse – und die Daten fließen, wohin auch immer.
Je stärker ein Hersteller finanziell von Datenabhängigkeit lebt, desto größer ist das Risiko für den Nutzer. Das ist eine alte Regel, die sich nie geändert hat.
Was bleibt unterm Strich?
Es ist nicht die Technik, die das Risiko bringt – sondern die Struktur dahinter:
- Wer bezahlt was?
- Wo liegen die Server?
- Was steht in den AGBs?
- Wie oft ändert der Hersteller seine Regeln?
- Welche Gesetze gelten morgen?
Viele Menschen sehen nur die schöne Oberfläche, die bunten Diagramme und die praktischen Funktionen. Aber die langfristige Frage lautet immer:
Welche Daten liegen wo – und wer könnte sie eines Tages haben wollen?
Übersicht erfasster Daten und deren Verknüpfungen
| Erfasste Daten | Sensor / Quelle | Wie die Daten kombiniert werden | Mögliche Rückschlüsse | Langfristige Risiken |
|---|---|---|---|---|
| Herzfrequenz | Optischer Pulssensor (PPG) | Kombination mit Bewegung, Atmung, HRV | Belastung, Fitnessniveau, emotionale Reaktionen | Risikoprofile für Versicherungen, Stressanfälligkeit erkennbar |
| Herzratenvariabilität (HRV) | PPG + Algorithmische Analyse | Verknüpfung mit Schlafdaten und Atemmustern | Stresslevel, Erholung, vegetativer Zustand | Vorhersage von Burnout, psychische Belastbarkeit sichtbar |
| Atemfrequenz | Bewegungssensoren, Brust-/Körperbewegung | Kombination mit HRV und Schlafphasen | Ruhe/Nervosität, emotionaler Zustand | Früherkennung von Stress- oder Panikmustern |
| Schlafmuster | Bewegungssensoren + Puls − Analyse-Algorithmen | Kombination mit HRV, Atemfrequenz und Tagesprofilen | Erholung, Schlafqualität, nächtliche Stressphasen | Ableitung von gesundheitlichen Risiken, Energieprofilen |
| Bewegungsprofile / Schritte | Gyroskop, Accelerometer | Verknüpfung mit Standort, Puls und Tagesrhythmus | Aktivitätsverhalten, Routinen, Gesundheitsniveau | Lebensstilprofile, mögliche Risikobewertungen |
| Standort und Bewegungsrouten | GPS, WLAN, Mobilfunk | Abgleich mit emotionalen Reaktionen (HRV/Stress) | Welche Orte Stress auslösen, soziale Routinen | Verhaltensprofil, Predictive Behaviour |
| Hautleitfähigkeit | EDA-Sensoren (z. B. in Kopfhörern/Uhren) | Kombi aus Stresswerten, Atmung, Puls | Emotionale Erregung, Stressspitzen | Psychologische Profile, Lügen-/Reaktionsanalysen |
| Durchblutung im Ohrkanal | In-Ear-PPG-Sensoren | Verknüpfung mit HRV & emotionalen Reaktionen | Genaues Stress-/Erregungsprofil in Echtzeit | Feinauflösende Emotionserkennung ohne Zustimmung |
| Körpertemperatur | Temperatursensoren in Uhren/Ringen | Kombination mit Schlaf, HRV, Zyklusdaten | Gesundheitszustand, Zyklus- und Hormonlage | Sensibles Gesundheitsprofil, reproduktive Daten |
| Mikrobewegungen / Muskelspannung | IMU-Sensoren, EMG-ähnliche Algorithmen | Abgleich mit HRV, Atmung und Audioereignissen | Nervosität, innere Unruhe, Fokusverlust | Analyse psychischer Belastbarkeit |
| Alltagsroutinen & Zeitmuster | Automatische Mustererkennung | Verknüpfung aller gesammelten Daten | Tagesenergie, Produktivität, Gewohnheiten | Vorhersagbarkeit menschlichen Verhaltens |
Die psychologische Unsichtbarkeit der Datenerfassung
Wer heute eine Smartwatch trägt oder sich Kopfhörer in die Ohren steckt, glaubt meist, damit einfach nur seine Lieblingsmusik zu hören, seine Schritte zu zählen oder vielleicht den Schlaf etwas besser zu verstehen. Doch kaum jemand fragt sich ernsthaft, was diese Geräte im Hintergrund tun – und wie viel sie über einen selbst verraten.
Das liegt nicht unbedingt an fehlender Intelligenz oder Naivität. Es liegt an etwas Tieferem: Die Art, wie diese Technik funktioniert, ist für den Menschen schwer greifbar. Sie ist unsichtbar, geräuschlos, unaufdringlich – und genau darin liegt die eigentliche Gefahr. Es entsteht eine Art psychologische Blindheit, die viele in eine Datenerfassung hineinführt, ohne dass sie es wirklich merken.
Der unsichtbare Charakter der Messung: Alles läuft automatisch
Früher musste man zum Arzt gehen, sich verkabeln lassen, still liegen, und dann wurde irgendetwas gemessen. Man wusste, dass eine Messung stattfand – und man entschied sich aktiv dafür. Heute dagegen funktioniert alles im Vorbeigehen.
- Du ziehst morgens Deine Smartwatch an – sie beginnt zu messen.
- Du steckst Dir In-Ears ins Ohr – sie registrieren, ob Du unruhig bist.
- Du gehst spazieren – Dein Puls, Deine Atmung, Deine Bewegungsmuster werden analysiert.
- Du wirst gemessen – ohne dass Du es bewusst bemerkst.
Und weil die Technik so sanft, so lautlos, so intelligent daherkommt, denkt man: „Das ist ja nur für mich.“ Aber das stimmt nicht immer. Diese Unsichtbarkeit der Erfassung ist psychologisch tückisch. Denn was man nicht sieht, fühlt man auch nicht als Eingriff.
Die Begriffe verschleiern die Funktionen
Ein weiteres Problem ist die Sprache. In den App-Einstellungen oder in den AGBs liest man dann Dinge wie:
- „Sensorfusion aktivieren“
- „Biosignalunterstützung verbessern“
- „adaptive Gesundheitsanalyse“
- „nutzerzentrierte Optimierung“
- „Motion Coprocessing“
Klingt alles harmlos oder sogar hilfreich. In Wahrheit heißen diese Begriffe übersetzt:
„Wir messen dich möglichst umfassend – und wir wissen, wie du innerlich reagierst.“
Aber das steht da natürlich nicht so. Und genau das ist der Trick. Die Worte klingen technisch, modern, gut gemeint – und lassen bewusst im Dunkeln, was sie bedeuten. So entsteht keine Abwehr. Der Nutzer nickt alles ab – nicht aus Zustimmung, sondern aus fehlendem Unbehagen.
Das Marketing überstrahlt das Risikobewusstsein
Apple, Google & Co. sind wahre Meister im Marketing. Ihre Werbekampagnen zeigen glückliche Menschen, Gesundheit, Selbstoptimierung, Lebensfreude. Wearables sind bunt, smart, elegant – und geben einem das Gefühl, etwas Gutes für sich zu tun. Es gibt keine mahnenden Hinweise, keine begleitende Aufklärung, keine wirkliche Reflexion.
Das Ergebnis: Der moderne Nutzer wird emotional eingekauft – und technisch überrumpelt. Die Geräte wirken wie Helfer – aber sie sind in Wahrheit Messstationen, die dauerhaft und zuverlässig Körpersignale erfassen. Dass diese Daten eines Tages auch anders verwendet werden könnten – daran denkt in diesem Moment niemand.
Bequemlichkeit schlägt Nachdenken
Ein weiterer psychologischer Faktor ist Bequemlichkeit. Einmal eingerichtet, läuft alles von selbst. Die App zeigt schöne Diagramme, der Akku hält lange, die Uhr fühlt sich gut an – warum also noch hinterfragen?
Doch genau diese Komfortzone ist gefährlich. Sie lullt ein. Sie verhindert Fragen wie:
- Was passiert mit meinen Daten, wenn ich das Gerät verkaufe?
- Was speichert die Cloud wirklich?
- Welche Muster lassen sich aus meinen HRV-Daten erkennen?
- Was könnte ein Algorithmus aus meinen Schlafkurven über mich lernen?
Die Antwort ist meistens: mehr, als Du denkst.
Gesellschaftliche Normen machen Kritik verdächtig
Noch vor ein paar Jahren war es normal, keine Smartwatch zu tragen. Heute gilt man damit schnell als „altmodisch“, „technikfern“ oder „misstrauisch“.
Wer sich bewusst gegen Wearables entscheidet, wird oft belächelt – manchmal sogar subtil ausgegrenzt. So entstehen soziale Normen, die Techniknutzung zur Pflicht machen – ganz ohne Zwang. Wer „mit der Zeit gehen will“, muss sich messen lassen. Dabei wäre es klüger, zu fragen:
Wer profitiert eigentlich wirklich von diesen Daten – ich, oder jemand anders?
Traditionelle Vorsicht wird als Schwäche dargestellt
Früher war es völlig normal, ein gesundes Misstrauen gegenüber Technik zu haben. Man wusste: Alles Neue hat zwei Seiten.
Heute dagegen gilt jede Skepsis schnell als „Verschwörung“, „Paranoia“ oder „technikfeindlich“.
Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis gezielter Kampagnen, die Unsicherheit lächerlich machen – damit niemand zu genau hinschaut. Dabei ist genau dieses Hinterfragen notwendig. Nicht um Technik zu verteufeln, sondern um nicht blind in eine Abhängigkeit hineinzurutschen.
Die Datenerfassung durch Wearables ist so geschickt konstruiert, dass sie nicht wie ein Eingriff wirkt. Sie erscheint hilfreich, freundlich, smart – fast wie ein guter Freund. Und genau deshalb ist sie so effektiv. Es gibt keinen Piepton. Kein Signal. Kein Warnhinweis. Nur Daten – viele, unauffällige, fortlaufende Daten.
Und irgendwann, in fünf oder zehn Jahren, werden diese Daten zu etwas, das der Nutzer nie beabsichtigt hat: einem umfassenden, auswertbaren, verkäuflichen Profil seiner selbst. Deshalb lohnt es sich, wieder klassisch zu denken:
Technik ist nicht neutral. Technik verfolgt Interessen. Und wenn man nicht weiß, wer die Kontrolle hat, dann hat man sie selbst nicht mehr.
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Ein Gegenentwurf: Technik nutzen, ohne sich ausliefern zu lassen
Nach all den kritischen Beobachtungen stellt sich natürlich die Frage: Was nun? Müssen wir alle unsere Smartwatches wegwerfen, nie wieder Kopfhörer benutzen und zurück zur Armbanduhr mit Zeigern?
Nein. Darum geht es nicht. Technik kann nützlich sein. Sie kann motivieren, helfen, Erinnerungen liefern, Gesundheit fördern – wenn sie bewusst eingesetzt wird. Das Problem ist nicht die Technik an sich, sondern der gedankenlose Dauergebrauch, der mehr Daten preisgibt, als die meisten ahnen. Und genau hier setzt ein gesunder Gegenentwurf an: Technik ja – aber nicht um jeden Preis.
Bewusster Umgang statt Dauertracking
Ich selbst besitze auch eine Apple Watch. Ich finde die Technik faszinierend, sie funktioniert erstaunlich gut, sie hat Stil – und gelegentlich ziehe ich sie auch gern an. Aber: Ich trage sie nicht ständig. Wenn ich zum Beispiel wissen möchte, wie viele Schritte ich bei einer bestimmten Strecke mache, oder ob ich mich in einer bestimmten Woche genug bewegt habe – dann nutze ich sie gezielt. Danach lege ich sie wieder ab. Auch sonst aktiviere ich Tracking-Funktionen nur bewusst und gezielt – nie dauerhaft.
Ich entscheide, wann ein Gerät misst – und nicht das Gerät. Diese Haltung ist für mich keine Einschränkung, sondern ein Stück Selbstbestimmung.
Kopfhörer: Die unterschätzte Nähe zum Nervensystem
Besonders skeptisch bin ich gegenüber Bluetooth-In-Ears, also kabellosen Kopfhörern, die direkt im Gehörgang sitzen. Ich weiß, viele Menschen tragen sie heute den ganzen Tag. Manche nutzen sie sogar beim Einschlafen.
Aber ich frage mich ehrlich: Ist es wirklich gesund, ein Funkgerät im Ohr zu haben – direkt neben den feinsten Nervenzellen des Körpers? Ich persönlich meide solche Geräte komplett. Wenn ich unterwegs Musik hören möchte, greife ich zu ganz klassischen Kopfhörern mit Kabel.
Altmodisch? Vielleicht. Aber ich habe lieber ein bisschen Kabelsalat als eine ständige Funkverbindung am Kopf. Und nachdem inzwischen klar ist, dass viele dieser Geräte auch Messsensoren enthalten – teilweise sogar für biometrische Signale – ist mir diese Entscheidung umso lieber.
Datensouveränität beginnt im Alltag
Es braucht keine großen Schritte, um wieder mehr Kontrolle über die eigenen Daten zu bekommen. Schon kleine Verhaltensänderungen machen einen Unterschied:
- Smartwatch nur dann tragen, wenn man sie wirklich braucht
- Standortfreigaben nur gezielt aktivieren
- Apps hinterfragen, die „Fitnessdaten“ abrufen wollen
- Bluetooth nicht permanent eingeschaltet lassen
- Geräte regelmäßig vom Konto trennen, wenn man sie nicht nutzt
- Datenexporte regelmäßig prüfen und ggf. löschen
Kurz gesagt: Nicht alles automatisch mitlaufen lassen. Gerade weil Technik so bequem ist, muss man sich daran erinnern, dass Bequemlichkeit nicht immer mit Sicherheit einhergeht.
Traditionelle Tugenden in der modernen Welt
Was früher selbstverständlich war, gilt heute oft als „zu vorsichtig“. Dabei ist genau diese Vorsicht ein Zeichen von Weitblick. Früher hat man nicht einfach alles geglaubt, was auf der Verpackung stand. Man wusste, dass Technik Interessen folgt. Man war bereit, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Und man hat sich nicht zum Versuchskaninchen machen lassen – nur weil etwas neu war.
Diese Haltung ist heute wichtiger denn je. Gerade weil sich alles so schnell entwickelt, weil Funktionen und AGBs regelmäßig geändert werden, weil niemand wirklich weiß, wie die Systeme in zehn Jahren aussehen werden. Technik ist ein Werkzeug – aber kein unsichtbarer Begleiter, dem man blind alles über sich erzählen sollte.
Mir war es wichtig, diesen Artikel zu schreiben, weil ich in meinem Umfeld – und auch im größeren gesellschaftlichen Kontext – immer wieder beobachte, wie unbekümmert viele Menschen mit Wearables und Sensorik umgehen. Oft aus Neugier, manchmal aus Gewohnheit – aber fast nie mit echtem Bewusstsein. Dabei tragen manche buchstäblich den ganzen Tag über Geräte am Körper oder im Ohr, die still und leise Daten sammeln – Daten, die heute vielleicht noch harmlos wirken, aber morgen zum entscheidenden Faktor werden könnten: beim Tarif, bei Versicherungen, beim Arztgespräch, bei Algorithmen, die man selbst gar nicht mehr durchschauen kann.
Es geht nicht darum, Angst zu machen. Es geht darum, klar zu sehen. Technik wird bleiben – aber der Umgang damit liegt bei uns. Und wer früh damit anfängt, bewusste Entscheidungen zu treffen, schützt nicht nur seine Daten – sondern auch sein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.
Wichtige Studien zu Wearables und Datenerfassung
- Personalized Stress Detection Using Biosignals from Wearables (Bolpagni et al., 2024) — untersucht, wie Wearables Biosignale in natürlichen Umgebungen erfassen und mit Machine-Learning-Modellen Stresslevel erkennen.
- Mental Stress Detection Using a Wearable In‑Ear PPG System (Barki et al., 2023) — Studie zu einem Ohr-Sensor-System (In-Ear) zur Erkennung mentalen Stresses mittels PPG.
- Detection and monitoring of stress using wearables (Pinge et al., 2024) — systematische Review über Sensoren und Wearables zur Stress-Erkennung.
- State‑of‑the‑Art of Stress Prediction from Heart Rate Variability Data (Haque et al., 2024) — zeigt die Relevanz von HRV-Daten zur Stressvorhersage und wie Algorithmen dafür eingesetzt werden.
- Wearable‑Measured Sleep and Resting Heart Rate Variability as an Outcome… (de Vries et al., 2023) — Studie mit Wearables, Schlafzeit und HRV als Prädiktoren für subjektiv gemessenen Stress.
- Hearables, in‑ear sensing devices for bio‑signal acquisition (Ne et al., 2021) — Übersichtsarbeit über „Hearables“ (also In-Ear-Geräte) und deren Fähigkeit zur Erfassung physiologischer Signale.
Häufig gestellte Fragen
- Was genau misst eine moderne Smartwatch eigentlich?
Eine Smartwatch misst weit mehr als nur die Herzfrequenz und die Schrittzahl. Sie kann Bewegungsmuster, Schlafverhalten, Atemfrequenz, Herzratenvariabilität (HRV), Sauerstoffsättigung und – je nach Modell – sogar Hauttemperatur oder Stressmuster erfassen. Viele dieser Daten werden automatisch erhoben, ohne dass der Nutzer sie bewusst startet oder sieht. - Was ist die Herzratenvariabilität (HRV) und warum ist sie so wichtig?
Die HRV beschreibt die feinen Abstände zwischen den einzelnen Herzschlägen. Eine hohe HRV gilt als Zeichen von guter Regeneration und innerer Balance, eine niedrige HRV weist auf Stress oder Erschöpfung hin. Das macht sie zu einem sehr aussagekräftigen Parameter für das vegetative Nervensystem – und damit für das emotionale und körperliche Gleichgewicht. - Können Smartwatches oder Kopfhörer wirklich meine Stimmung erkennen?
Nicht direkt, aber indirekt: Wenn mehrere Biosignale gleichzeitig analysiert werden – z. B. HRV, Atemfrequenz, Bewegungsmuster und Muskelspannung – lassen sich Rückschlüsse auf emotionale Zustände ziehen. Systeme erkennen dann z. B. Stress, Anspannung, Ruhe oder Unruhe. Diese Daten sagen zwar nichts über konkrete Gedanken aus, aber sehr wohl über innere Zustände. - Wer bekommt all diese Daten eigentlich?
Das hängt stark vom Hersteller ab. Bei Apple werden viele Daten lokal auf dem iPhone gespeichert, bei Google- oder Android-basierten Systemen landen die Daten oft in der Cloud. Bei vielen Drittanbietern, gerade im asiatischen Raum, ist unklar, wohin die Daten fließen. Je nach App und Gerät können auch Drittanbieter Zugriff erhalten – oft durch Einwilligung in AGB, die kaum jemand liest. - Was ist das Problem an dieser dauerhaften Datenerfassung?
Das Hauptproblem ist die Langzeitwirkung: Über Monate und Jahre entsteht ein immer detaillierteres Profil des Nutzers – mit Gewohnheiten, Stressmustern, Reaktionsweisen und potenziellen Schwächen. Diese Daten könnten künftig von Versicherungen, Arbeitgebern oder Plattformen genutzt werden, um Preise, Angebote oder Entscheidungen zu steuern – auch ohne bewusste Zustimmung des Nutzers. - Wie kann ich verhindern, dass meine Wearables zu viele Daten erfassen?
Am einfachsten: Gerät nur gezielt tragen. Bluetooth, Ortungsdienste und Hintergrundaktualisierung deaktivieren, wenn sie nicht gebraucht werden. Apps genau prüfen und nur notwendige Berechtigungen vergeben. In den Einstellungen vieler Geräte lassen sich bestimmte Sensoren abschalten oder der Zugriff auf bestimmte Daten einschränken. - Sind Kopfhörer wirklich in der Lage, Biosignale zu messen?
Ja, moderne In-Ear-Kopfhörer können z. B. die Durchblutung im Gehörgang oder die Hautleitfähigkeit messen. Manche Modelle nutzen auch kleine Bewegungs- oder Spannungssensoren, um Atemmuster oder Mikroreaktionen zu erfassen. Diese Funktionen werden oft nicht offen kommuniziert, sind technisch aber längst realisiert – vor allem bei großen Herstellern wie Apple, Samsung oder Bose. - Was unterscheidet Apple in diesem Bereich von anderen Herstellern?
Apple setzt auf lokale Speicherung, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und eine grundsätzlich datenschutzfreundlichere Strategie. Die meisten Gesundheitsdaten bleiben auf dem Gerät, solange man die iCloud nicht aktiv einschaltet. Allerdings kann auch Apple seine Strategie ändern – und Behördenzugriff ist nie vollständig ausgeschlossen. - Wie ist es bei Google oder Android-Geräten?
Google sammelt deutlich mehr Daten und verarbeitet sie häufig cloudbasiert. Auch Geräte wie Fitbit (gehört zu Google) senden Daten in zentrale Systeme. Zwar gibt es auch hier Datenschutzeinstellungen, doch viele sind standardmäßig aktiviert – und schwer durchschaubar. Zudem ist Googles Geschäftsmodell stark datengetrieben, was das Risiko von Datenweiterverwendung erhöht. - Was ist mit anderen Herstellern wie Garmin, Samsung oder Xiaomi?
Garmin speichert viele Daten in der Cloud, hat aber einen sportfokussierten Ansatz. Samsung kombiniert eigene Dienste mit Google-Systemen – was zu einer Mischung aus lokal und Cloud führt. Bei asiatischen Herstellern wie Xiaomi oder Huawei ist die Transparenz gering. Hier landen viele Daten auf Servern außerhalb Europas – oft ohne klare Nutzerkontrolle. - Ist es übertrieben, bei Wearables von Überwachung zu sprechen?
Nicht unbedingt. Es handelt sich um eine Art Selbstüberwachung, die freiwillig erfolgt – aber durch die Technikstruktur auch sehr leicht in Fremdüberwachung umschlagen kann. Je mehr Daten gesammelt werden, desto größer ist das Interesse Dritter daran, diese Daten zu nutzen. Ob nun für Werbung, Risikobewertung oder Verhaltenserkennung: Die Grenze ist fließend. - Gibt es gesundheitliche Risiken durch Bluetooth-Kopfhörer?
Die Forschung ist hier nicht eindeutig. Viele Nutzer berichten von Kribbeln, Druckgefühl oder Überempfindlichkeit bei langem Tragen. Auch wenn die Funkstrahlung unterhalb gesetzlicher Grenzwerte liegt, kann die dauerhafte Nähe zu sensiblen Nervenregionen wie dem Innenohr für empfindliche Menschen unangenehm oder belastend sein. Es ist also nicht paranoid, wenn man vorsichtig bleibt. - Warum merken so wenige Menschen, was ihre Geräte alles machen?
Weil es leise, automatisch und im Hintergrund geschieht. Die Begriffe in den Einstellungen klingen harmlos („Sensorfusion“, „Optimierung“, „Fitnessdaten“) – und die Marketingbilder zeigen gesunde, fröhliche Menschen. So entsteht kein Unbehagen. Und was nicht als Gefahr wahrgenommen wird, wird auch nicht hinterfragt. - Wie lassen sich langfristig Persönlichkeitsmuster aus den Daten erkennen?
Durch die Kombination von Biosignalen über Wochen und Monate erkennt die Software feste Reaktionsmuster: wann jemand Stress empfindet, wie er mit Belastung umgeht, wann er ruhig ist, wann er aufblüht. Diese Muster sind individuell und sehr aussagekräftig – und könnten später für Entscheidungen im Versicherungs-, Finanz- oder Arbeitsbereich relevant werden. - Was kann ich tun, wenn ich schon viele Daten preisgegeben habe?
Zunächst: bewusst werden. Dann prüfen, welche Apps Zugriff haben und ggf. löschen. Die Daten bei den jeweiligen Plattformen (z. B. Google Fit, Garmin Connect) exportieren und die Synchronisierung beenden. In manchen Fällen kann man auch die Löschung der Cloud-Daten beantragen. Und ganz allgemein: Ab jetzt selektiver mit Tracking umgehen. - Ist es realistisch, komplett ohne Wearables zu leben?
Natürlich. Menschen haben jahrhundertelang ohne digitale Schrittzähler und Schlafsensoren überlebt – und viele tun es heute noch. Es geht nicht um Verzicht, sondern um bewusste Entscheidung. Wer Technik nutzen will, kann das tun – aber eben gezielt, nicht rund um die Uhr und nicht ohne zu wissen, was dahintersteckt. - Gibt es auch Geräte oder Apps, die besonders datenschutzfreundlich sind?
Ja, es gibt mittlerweile Open-Source-Projekte, alternative Fitness-Tracker ohne Cloudbindung und Apps, die vollständig offline arbeiten. Sie sind oft weniger bequem, aber deutlich transparenter. Wer Wert auf Datensouveränität legt, kann sich gezielt nach solchen Alternativen umsehen – sie sind rar, aber es gibt sie. - Was war das Hauptanliegen des Artikels?
Dem Autor – in diesem Fall mir – war es wichtig, aufzuklären. Ich nutze selbst eine Apple Watch, finde die Technik spannend, sehe aber auch die Risiken. Deshalb wollte ich diesen Artikel schreiben: Weil ich sehe, dass viele Menschen völlig unbekümmert mit Geräten umgehen, die still und leise intime Daten sammeln. Nicht aus Panik, sondern aus Verantwortung heraus. Es geht darum, den Blick zu schärfen – für das, was heute unsichtbar ist, aber morgen große Bedeutung haben kann.






